Wir feiern jedes Jahr das Fest unserer Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens und des Entstehens des jüdischen Volkes und benennen dabei die zahlreichen Wunder, die der Allmächtige zu damaliger Zeit nicht nur für unsere Freiheit, sondern auch für das Erstarken unseres Glaubens verrichtet hat. Dabei ist es immens wichtig zu verstehen, dass die Befreiung nicht abgeschlossen ist; in jeder Generation setzt sie sich fort bzw. wird, nicht immer problemlos, neu erlebt.
In den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts fand ein weiterer Exodus statt: der aus der sowjetischen Sklaverei. Sehr viele heute in der Bundesrepublik lebenden Juden waren als Kinder und junge Menschen Zeugen dieser Ereignisse. Wenn auch anders als zu Mosches Zeiten, war es dennoch eine Befreiung, nicht nur im Sinne eines Wohnort- oder Staatssystemwechsels. Viele ehemalige sowjetische – oder wie hier fälschlicherweise öfters zu hören „russische“ – Juden, die heute in Israel, den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und Deutschland leben, fanden den Weg zurück zur jüdischen Religion, Tradition und Kultur.
Die Veränderungen in der heutigen Welt, und insbesondere das Anwachsen des Antisemitismus in Deutschland und fast überall in Europa, stellen uns vor neue Herausforderungen. Beim Begegnen dieser Bedrohungen und Lösen der damit verbundenen Probleme ist es unentbehrlich, die Erfahrungen und Lehren der vorigen Generationen gut zu kennen und stets zu berücksichtigen.
Gerade deshalb haben wir vor paar Tagen alle zusammen erst den Chametz verbrannt oder verkauft, Gerichte kascher le-Pessach zubereitet und werden heute Abend die Haggada lesen, die zehn Plagen benennen und über die vier Fragenden diskutieren und selbstverständlich Matzen essen.
Ihr Max Privorozki
(aus der Begrüßung in der April-Ausgabe des BTJ-Gemeindemagazins)